Fragwürdiger Hype um Methylenblau

Mal wieder breitet sich ein nicht ungefährlicher Trend auf TikTok und YouTube aus. Blaue-Zungen-Videos als Folge der Einnahme von Methylenblau findet man vor allem bei Vertretern der Biohack-Szene, die sich durch gesundheitliche Selbstoptimierung profilieren. Hierzu werden Rezepte wie „Methylenblau-Orangensaft“ oder „Methylenblau mit Zitrone“ geteilt. Das Ergebnis ist nicht nur eine stark blau gefärbte Zunge, sondern angeblich auch eine bessere Konzentration sowie eine Zunahme an körperlicher und geistiger Energie. Daneben reduziere Methylenblau auch die Zellalterung und somit den oxidativen Stress im Körper. Was ist dran am aktuellen Hype um den in der Medizin schon seit dem 19.Jahrhundert bekannten Stoff aus der Molekularbiologie?

Färbe- und Lebensmittel?
Methylenblau ist keine natürliche Substanz, sie dient seit langer Zeit als Färbemittel und macht in der Laborarbeit Bakterien sichtbar. Nebenbei entdeckte man aber auch seine Wirkung als Mittel gegen Malaria. Noch heute dient es als Gegenmittel bei Nitratvergiftungen und anderen Pestiziden und wurde intravenös als verschreibungspflichtiges Mittel zugelassen. Flüssig und als Pulver ist es als Laborchemikalie und zu Dekorationszwecken frei erhältlich. Zur Einnahme sollte es unbedingt mit Lebensmittelqualität deklariert sein und aus Europa stammen (Reag. Ph. Eur.). Inzwischen wurde synthetisiertes Methylenblau für diverse medizinische Einsatzbereiche getestet, vor allem gegen psychische Erkrankungen wie bipolare Störungen, aber auch zur Förderung der geistigen Fähigkeiten bei Alzheimer wurde lange geforscht. Studien zeigten aber nicht den erhofften Effekt, so dass Methylenblau aus der Demenzforschung wieder verschwunden ist.

Von Biohacks angepriesen
Bleibt die Frage nach einer möglichen Leistungssteigerung des Gehirns sowie die allgemeine Gesundheitsförderung, wie in Biohacks angepriesen. Im Netz wird es deshalb gern als Gehirndoping und Anti-Aging-Wunder bezeichnet, da es die Energieversorgung des Körpers verbessern soll. Entsprechende Studien belegen dies bislang nicht. Paul Ehrlich hatte es im 19. Jahrhundert allerdings gegen die Tropenkrankheit Malaria eingesetzt. Eine Zulassung als Malaria-Medikament hat Methylenblau aber nie bekommen. Es gab einige vielversprechende Ansätze, die sich langfristig nicht bestätigt haben. Heute noch warnen Spezialisten vor den möglichen langfristigen Nebenwirkungen sowie Überdosierungen.

Gefährliche Neben- und Wechselwirkungen
Wer Methylenblau einnimmt, sollte wissen, dass es dafür nicht vorgesehen und geprüft ist und sich der Risiken bewusst sein. Mögliche Nebenwirkungen sind neben Übelkeit, Erbrechen und Schwindel, Kopfschmerzen sowie eine Blaufärbung von Haut, Urin und Schleimhäuten. Auch schwerere Komplikationen wie eine Hämolyse, eine Auflösung der roten Blutplättchen, kann die Folge sein. Eine weitere bekannte Wechselwirkung ist das gefährliche Serotoninsyndrom, das sich bei der therapeutischen Gabe von Serotonin, wie bei Depressionen üblich, entwickeln kann. Auch die Kombination mit Tramadol oder Ecstasy kann zu einem lebensgefährlichen Anstieg des Serotoninspiegels führen – mit Bluthochdruck, Herzrasen, Hitze und Muskelzucken bis zum Organversagen. Forschende warnen vor der leichtfertigen Einnahme von Methylenblau. Schon ab etwa 2 mg pro Kilo Körpergewicht kann es zu gesundheitlichen Problemen kommen.