Riskante Einschlafhilfen mit Melatonin

Bei leichten Schlafstörungen wird als Alternative zu verschreibungspflichtigen Schlaftabletten immer öfter zu Melatonin gegriffen. Dabei werden die Sprays, Kapseln, Tropfen oder Weichgummis nicht nur in Apotheken, sondern ebenso in Drogeriemärkten oder übers Internet gekauft. Möglich ist dies, weil zahlreiche Melatoninprodukte als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) eingestuft sind und nicht als Arzneimittel. Höher dosierte Melatonintabletten sind verschreibungspflichtig. Niedrigdosierte Produkte gelten dagegen als NEM. Recht großzügig verfahren manche Hersteller mit den Dosierungsempfehlungen. Dabei handelt es sich bei Melatonin um ein wichtiges Hormon, das unseren Schlafrhythmus steuert. Dunkelheit regt seine Produktion an und wir werden müde. Nimmt man jedoch zu viel, kann genau dieser Rhythmus durcheinandergeraten, z. B. wenn man es immer zu unterschiedlichen Zeiten einnimmt.

Unbekannte langfristige Folgen
Auch wenn es nicht abhängig machen soll: Die Folgen einer langfristigen Einnahme sind derzeit noch unbekannt, vor allem für Kinder. Studien zeigen, dass Eltern den Kleinen immer häufiger die vermeintlich harmlosen Einschlafhilfen mit Melatonin geben, anstatt nach den Ursachen einer Schlafstörung zu suchen. Bei Jugendlichen hat das Hormon Melatonin Einfluss auf Wachstum und Hormonstatus, dessen langfristige Folgen derzeit unbekannt sind. Man sollte grundsätzlich mit Melatoninprodukten, die als Nahrungsergänzungsmittel deklariert sind, vorsichtig sein und bei anhaltenden Schlafproblemen ärztlichen Rat suchen. Das Bundesamt für Risikobewertung warnt vor allem Schwangere, Stillende, Jugendliche und Kinder vor einer langfristigen Einnahme. Aber auch gesunde Erwachsene sollten die möglichen Risiken bedenken.

Risiko Dosierung
Bei vielen Nicht-Apotheken-Produkten übersteigt die empfohlene Tagesdosis die übliche Dosierung melatoninhaltiger Arzneimittel. Die Folgen sind u. A. Tagesmüdigkeit, eine verlängerte Reaktionszeit, die das Unfallrisiko erhöht sowie Kopfschmerzen, Blutdruckabfall und Gangunsicherheit. Außerdem kann es den Blutzuckerspiegel erhöhen, problematisch vor allem für Typ-2-Diabetiker. Auch Übelkeit, Bauchschmerzen und Durchfall können auftreten. Vorsicht ist besonders bei der Kombination mit Mitteln gegen Bluthochdruck geboten. Wichtig ist es, den Einnahmezeitpunkt und die Dosierung zu beachten. Viele Produkte zur Selbstmedikation enthalten zu hohe Dosen von mehreren Milligramm, obwohl ein leichteres Einschlafen i. d. R. schon mit 0,5 Milligramm erreicht würde.

Einschlafzeitpunkt verschieben
Gegen einen Jetlag oder bei Schichtarbeit kann die Einnahme von Melatonin den Einschlafzeitpunkt kurzfristig verschieben und so die Umstellung erleichtern. Insgesamt sind die Eingriffe erheblich komplexer als dies in der Werbung für Melatoninprodukte suggeriert wird. Oftmals sind bei Schlafstörungen vor allem langfristige Verhaltensänderungen nötig. Melatonin sollte in keinem Fall eine Dauerlösung sein.