Rechtzeitig aufs Empty-Nest-Syndrom einstellen
Wenn Kinder flügge werden und ihr eigenes Nest planen, bedeutet dies für die Eltern von Gewohntem Abschied zu nehmen. Haus oder Wohnung leeren sich und der Tagesablauf will neu gefüllt werden. Für eine lange Zeit war man vor allem Mutter oder Vater und mit dieser Rolle intensiv beschäftigt bzw. gefordert. Auch wenn man immer Eltern bleibt, verändert sich vieles, wenn Kinder ausziehen. Manch eine/r krankt sogar für längere Zeit am sogenannten Empty-Nest-Syndrom. Wer sich selbst rechtzeitig neue Ziele setzt und sich selbst abseits von der Elternrolle wieder wahrnimmt, kann verhindern in eine Leere oder gar Depression zu stürzen. Psychologen raten deshalb mit der Neuorientierung nicht so lange zu warten, bis der Auszug ansteht. Gefühle der Trauer und des Verlassenwerdens aber auch nicht zu ignorieren, sondern zuzulassen. Und neben der persönlichen Umorientierung will auch die Beziehung zu den erwachsenen Kindern neu definiert werden. Es gibt also einiges anzugehen.
Neuer Tagesrhythmus
Gefühlt eine Ewigkeit hat sich das Leben an Stundenplänen und Schulferien ausgerichtet. Elternabende, Schulfeste sowie Sportturniere waren feste Termine im Familienkalender. Unzählige Kuchen und Salate wurden meist spät abends fertig gemacht, Kindergeburtstage bis zur letzten Sekunde organisiert und Horden von Halbwüchsigen von A nach B kutschiert. Auf einen Schlag kehrt jetzt Ruhe ein und Eltern fragen sich, wohin mit der freien Zeit und all der, über 20 Jahre lang trainierten elterlichen Verantwortung? Neue Rollen zu finden bedeutet meist mehr als Loslassen zu lernen, vor allem für jene, die sich ganz selbstverständlich 110-prozentig engagiert und jene belächelt haben, die lieber nur dabei, aber selten mittendrin waren – im täglichen Kinder-, Schul- und Hobbychaos. Ist man jetzt etwa nicht nur ungebraucht, sondern vielleicht schon zu alt für neue Hobbies oder eine zweite Karriere?
Symptome von Trennungsschmerz
Steht die Diagnose fest, drängen sich unübersehbare Symptome auf. Von Antriebslosigkeit über Stimmungsschwankungen, bis zu nachlassendem Appetit, Schlafproblemen und nicht zuletzt dem Gefühl der Einsamkeit. Fachleute sprechen in dieser Phase von einer notwendigen Trauerarbeit. Denn letztlich ist es ein typischer Trennungsschmerz und der Abschied von Ritualen und festen Tagesstrukturen. Hierzu gesellen sich häufig Zukunftsängste wie die Frage, welche Freunde bleiben einem ohne die Kinder erhalten oder wie entwickelt sich die Ehe oder Partnerschaft ohne die Kinder? Schnell gerät man dann in eine emotionale Schieflage bzw. ein Wechselbad der Gefühle. Zwar kennt jeder die Kalendersprüche à la: Wo eine Tür zugeht, geht eine andere auf. Emotional helfen diese aber wenig.
Hobbies und Freunde reaktivieren
Großstädter finden bei einem Blick ins Internet nicht selten Selbsthilfegruppen um sich mit anderen verlassenen Vätern oder Müttern auszutauschen. Wichtig insbesondere für jene, die Probleme haben den Wechsel zu einer neuen erwachsenen oder freundschaftlichen Beziehung zum Kind zu schaffen. Ziel sollte es sein, aus einer klassischen Trauerphase keine anhaltende Krise werden zu lassen. Dabei können auch Freunde helfen, die man vielleicht gerade wegen der Kinder vorrübergehend vernachlässigt hat oder auch jene, die in ein einer ähnlichen Phase der Umorientierung stecken.
Weniger Konfliktpotential
Letztlich sollte man auch froh sein eine gute Portion Konfliktpotential los zu werden, denn gerade auf der Ziellinie zur maximalen Selbstständigkeit werden junge Erwachsene oftmals sehr anstrengend. Für viele ist es quälend in der häuslichen Kindposition zu verharren, obwohl diese den eigenen Gefühlen und Ansprüchen nicht mehr entspricht. Gleichzeitig darf man diese Auseinandersetzungen, die man dachte schon hinter sich zu haben, nicht überbewerten. Freuen Sie sich ganz bewusst auf Aktivitäten, die schon lange wegen der Kinder in der Warteschleife sind und auf eine entspanntere Beziehung zu den Kindern. Das neue Motto lautet jetzt: Freiheit für alle!