Nur ein Trend oder macht Aufräumen wirklich glücklich?
Nach dem Hype um Marie Kondo und ihre Ordnungsmethode vor gut zehn Jahren findet man auch hierzulande inzwischen zahlreiche Aufräumprofis und -berater. Der äußeren Ordnung in den eigenen vier Wänden soll ja angeblich die innere Ordnung folgen. Ausmisten und Entrümpeln schafft Platz für neue frische Ideen, schließlich lebt es sich leichter mit weniger Ballast. Dies zeigen auch neue Wohnformen wie die Tiny-Houses oder mobile Wohncontainer. Auch Psychologen sprechen dem Aufräumen eine reinigende Wirkung zu. Diverse Ratgeber legen nahe, dass man sich nur von unnötigem Ballast trennen müsse, um endlich glücklich zu werden. Was wiederum suggeriert, dass man sein individuelles Glück zumindest teilweise selbst in der Hand hat. US-Studien haben übrigens gezeigt, dass Unordnung gerade Menschen mit psychischen Problemen eher schadet. Sie kann uns stressen und deprimieren.
Was braucht man wirklich?
Regelmäßiges Ausmisten dagegen spart immer wieder Zeit beim Aufräumen, denn wer nur noch die Hälfte an Klamotten und Staubfängern besitzt, muss weniger sortieren, suchen und entstauben. Wie viel Zeit man statistisch gesehen täglich damit verbringt, ist nicht gesichert. Aber wohl die allermeisten würden bestätigen, dass es zu viel ist. Nicht zu vergessen die vielen heimischen Diskussionen mit Partner*in und/oder Kindern über die Frage, warum man die Dinge nach Gebrauch wieder an ihren Platz räumen sollte, anstatt täglich das Chaos oder ewige Streitereien zu riskieren. Vielleicht liegt das neue gefundene Glück auch einfach darin, dass die häuslichen Reibereien wegfallen, wer was wann wo und vor allem als Letzter benutzt hat. Der Sinn eines sogenannten kreativen Chaos endet definitiv dann, wenn man trotz langem Suchen die Dinge nicht mehr findet. Aufräumen macht also definitiv glücklicher als nicht-aufräumen.
Volle Schränke machen Stress
Sicher, Ordnungsfanatismus tut niemandem gut. Aber Unordnung macht uns Stress und das jeden Tag aufs Neue. Sie hält uns vor Augen, was wir wieder nicht geschafft haben. Dabei sollte man unterscheiden zwischen dem täglichen Aufräumen und dem lang Aufgeschobenen Ausmisten, das bedingt zu klären, wovon man sich eigentlich trennen sollte. Schließlich ist immer zu wenig Platz für all die Gegenstände, die sich im Laufe der Jahre ansammeln und Schränke, Keller und Dachböden verstopfen. Meist hängen Erinnerungen daran und somit viele gute Gründe, sich von Dingen eben nicht zu trennen. Erst ein Umzug bedeutet für die meisten, genau dies zu entscheiden. Die wenigsten wollen die neue cleane Umgebung mit altem Kram vollstopfen. Und nicht jeder wird gleich zum Minimalisten, wenn man sich für jene Dinge entscheidet, die man wirklich tagtäglich braucht.
Innere Ordnung vs. Weltchaos
Problematisch wird es ohnehin heute, all die Dinge, die man loswerden will mit gutem Gewissen entsorgen zu können. Die wenigsten Altkleidercontainer sind noch nachhaltig zu nennen, Flohmärkte sind aufwändig und oft wenig erfolgreich und alles, was in den Restmüll wandert ist letztlich eine ökologische Katastrophe. D.h. ausmisten kann angesichts der riesigen weltweiten Müllberge auch ein schlechtes Gewissen produzieren. Aus den Augen, aus dem Sinn funktioniert in Zeiten von Klimakrise und notwendiger Nachhaltigkeit kaum noch. Wie viele Glückshormone danach durch den erfolgreichen Kampf gegen den inneren Schweinehund freigesetzt werden, ist also individuell sehr verschieden. Last but not least gibt es uns aber garantiert das gute Gefühl, wenn schon nicht die ganze Welt, so doch quasi als Gegenpol das häusliche Chaos in Ordnung bringen zu können. Und das immer wieder aufs Neue.