Politik beschönigt weiterhin Lieferengpässe

Unser Bundesgesundheitsminister hat es zum Jahresanfang getan und der Gesundheitsminister von NRW wieder Mitte Mai – beide haben die weiter zunehmenden Lieferengpässe zahlreicher Medikamente klein geredet. Man sei über den Berg oder das Schlimmste sei überstanden, dabei steigt die Anzahl der gar nicht oder nur sehr eingeschränkt lieferbaren Mittel noch immer. Die Politik greift offenbar nach jedem Strohhalm positiver Meldungen, die mitunter aus der Pharmaindustrie oder vom Großhandel zu hören sind. Schade nur, wenn gerade diese dann sofort wieder dementiert werden – so wie bei Karl-Josef Laumann und Noweda. Oder wie bei Karl Lauterbach und den Kinderärzten, die im Januar angeblich Entwarnung gegeben hatten. Es kann durchaus vorkommen, dass einzelne Medikamente vorrübergehend regional begrenzt wieder verfügbar sind. Dies hat aber momentan wenig mit einer grundsätzlichen Entspannung zu tun.

Das ALBVVG soll‘s richten
Die Politik steht massiv unter Druck dieses mitunter sogar lebensbedrohliche Problem zu lösen. Nur leider gibt es kein kurzfristig wirkendes Pauschalrezept. Dies gilt auch für den jetzt vorliegenden Entwurf des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz, kurz ALBVVG, der vom Bundesrat Mitte Mai kritisch geprüft und Nachbesserung gefordert wurde. Das angestrebte neue Gesetz wird wenig an den strukturell bedingten Schwierigkeiten des Gesundheitssystems ändern, dass sich seit Jahren kaputtspart. Wenn bei der Arzneimittelherstellung nur noch der Billigste gewinnt, steigen die anderen Hersteller aus, wenn sich die Produktion hierzulande nicht mehr rentiert.

Ein europäisches Problem
Karl Lauterbach hat Anfang Mai außerdem darauf hingewiesen, dass man eine gesamteuropäische Lösung brauche. Was in der Regel so viel heißt wie, man könne das Problem allein nur schwer oder gar nicht in den Griff kriegen. Die Bundesländer Bayern und NRW haben inzwischen gefordert, den Großhandel in die Pflicht zu nehmen und umfangreiche Vorratshaltung zu betreiben. Letztlich bedeutet dies aber nur, die auf dem Weltmarkt insgesamt zu geringen Mengen umzuverteilen. Wenn dann zu bestimmten Jahreszeiten einzelne Medikamentengruppen verstärkt nachgefragt werden, tritt plötzlich auch ein Engpass bei Mitteln auf, die bisher gar nicht auf der Liste standen, so wie z. B. seit dem Frühjahr verschreibungspflichtige Heuschnupfen- und Asthmamittel, die laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte voraussichtlich erst im Herbst wieder ausreichend verfügbar sein werden. Für Patient*innen bedeutet dies weiterhin, bloß nicht krank werden, wenn alle krank sind.