Politisches Unverständnis der Versorgungslücken

Das erwartete Versorgungs-Chaos ab Ostern konnte gerade noch rechtzeitig abgewendet werden. Nachdem Apotheken und der Bundesverband ABDA das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mittels offener Briefe wochenlang darauf hinwiesen, dass das Auslaufen der coronabedingten Abgabeerleichterungen ausgerechnet in Zeiten massiver Lieferschwierigkeiten völlig unvertretbar sei und auf dem Rücken von Apotheken und Patienten*innen ausgetragen würden, lenkte das BMG schließlich ein. Mit der aktuellen Übergangsregelung wurde die Frist für einen neuen notwendigen Gesetzentwurf bis zum 31.7.23 verlängert. Und dies gegen den Protest der Krankenkassenverbände, denen die vereinfachte Abgaberegelung ein Dorn im Auge ist. Dabei haben die Apotheken in den letzten drei Jahren bewiesen, dass sie mit dem zusätzlichen Spielraum verantwortungsvoll umgehen konnten – und zwar im Sinne der Patienten*innen und der Kosten.

Aufklärung statt Panikmache
Die Krankenkassen warnen den Apothekenverband vor Panikmache, dabei sind es die Apothekenmitarbeiter*innen, die die Kunden tagtäglich beruhigen müssen, wenn ein wichtiges Medikament nicht verfügbar ist. Viele Apotheken haben sich bereitgefunden Fiebersäfte- und Zäpfchen wieder selbst herzustellen, um die Situation zumindest bei den Kindern zu entspannen. Zulange haben die Verantwortlichen in den Ministerien und Verbänden es allein den Apotheken überlassen immer wieder das Unmögliche möglich zu machen. Angesichts weiterer Apothekenschließungen sollten endlich mehr Verständnis aufgebracht und die richtigen Schritte eingeleitet werden.

Engagement wird bestraft
Das Gesetz, das jetzt auf den Weg gebracht werden soll und im Entwurf bereits vorliegt, stellt leider das Gegenteil dar. Weder werden sich die Herstellungs- und Lieferprobleme so mittelfristig lösen lassen, noch werden die Vergütungslücken auf Apothekenseite geschlossen oder auch nur der Inflationsausgleich ins Visier genommen. Es sollen nur weitere bürokratische Hürden aufgebaut und die Spielräume der letzten Jahre vollständig beschnitten werden. Schließlich ist die Pandemie ja beendet und somit werden die Uhren wieder zurückgedreht. Das ganze Engagement während der schwierigen Coronajahre wird somit weder belohnt noch wertgeschätzt.

Unnötige Beschränkungen
Worüber hier eigentlich gestritten wird, ist in den Augen der meisten Patienten*innen vermutlich eine Lappalie, denn ein wirkstoffgleiches Präparat oder eine andere Packungsgröße abzugeben, gehört inzwischen zum Apothekenstandard. In solchen aktuell sehr häufigen Fällen jedes Mal die verordnende Praxis zu kontaktieren oder den Patienten hierhin zurückzuschicken um ein neues Rezept ausstellen zu lassen, wäre für alle Beteiligten unzumutbar und von den Praxen auch nicht gewünscht. In den Augen der Politik sieht das leider anders aus. Deshalb ist es zwingend nötig darüber zu informieren, worum sich dies unsägliche Auseinandersetzung eigentlich dreht.

Apothekenstreiks drohten
Auf der einen Seite geht es um die Kosten, andererseits aber um Zuständigkeiten und die Angst das Zepter zu weit aus der Hand zu geben. Wäre es nicht kurzfristig zu einer Übergangslösung gekommen, hätten in vielen Apotheken erstmals flächendeckende Streiks stattgefunden. Die Bereitschaft auf Seiten der Apotheken hierzu war jedenfalls groß. Bleibt zu hoffen, dass sich die Situation Ende Juli zum Beginn der Sommerferien und dem Ablauf der Übergangsregelung nicht wieder zuspitzt. Der Ball liegt jetzt beim Gesundheitsminister, der seit Jahresbeginn das Gespräch mit dem Apothekerverband verweigert und stattdessen eine „Entspannung der Versorgungslage“ verkündet, trotz der realen Situation. Viele Apotheken haben ihre Abgeordneten bereits eingeladen, einen Tag mit ihnen in der Apotheke zu verbringen – am besten inkl. einer Notdienstnacht, um diese Lage leibhaftig nachvollziehen zu können. In manchen Landkreisen werden die Abgeordneten allerdings hierfür schon eine längere Anfahrt in Kauf nehmen müssen.