Long Covid wird nur langsam entschlüsselt

Die Corona-Infektionszahlen sind seit Anfang des Jahres weiter niedrig und die Verläufe in der Regel eher unauffällig. Somit rutscht das Thema für viele weiter in den Hintergrund. Nicht so aber für jene, die nach einer oftmals milden Erkrankung noch wochenlang oder viele Monate unter Long- bzw. Post-Covid leiden. Jeder Tag ist eine Herausforderung und dies ist umso schlimmer, je weniger sich die Öffentlichkeit hierfür interessiert. Häufig sind die zahlreichen Beschwerden als „psychosomatisch“, also als nicht vollständig erklärbar, eingestuft. Zumindest findet man immer mehr Long- und Post-Covid-Ambulanzen diverser Uni- und Spezialkliniken, aber mit teilweise langen Wartelisten und der Bedarf wächst weiter. Ein großer Teil der Post-Covid-Betroffenen ist aber gesundheitlich so stark eingeschränkt, dass sie kaum. den gewohnten Alltag meistern oder arbeiten können. Statistisch verschwinden die Symptome bei etwa Zwei-Drittel aller Fälle nach rund drei Monaten.

Mutationen verändern BeschwerdenDie weltweit verfügbaren Studien zu Long-Covid beziehen sich i. d. R. nur auf bestimmte Virusvarianten aus den Anfängen der Pandemie. Im Vergleich zur Delta-Variante traten durch Omikron weniger Lang-Covid-Fälle auf. Während sich die Symptome im Laufe der Zeit durch die Virusvarianten veränderten, hatten die Impfungen hierauf kaum einen sichtbaren Einfluss. Und auch die Art der Beschwerden ist abhängig von den verschiedenen Mutationen. Die Berliner Charité hat im November 2022 eine erste klinische Studie zu Post Covid gestartet. Inzwischen werden hierfür zunehmend öffentliche Gelder bereitgestellt. Denn es ist klar, dass das Gesundheitssystem noch lange von Long-Covid bzw. Post-Covid belastet sein wird. Bei der Anzahl der Betroffenen geht man derzeit von rund 10 Prozent aller Infizierten aus. Genaue Zahlen gibt es derzeit weltweit kaum.

Jeden kann es treffen
Zu den typischen Symptomen der Erkrankung gehören erhöhter Puls, Haarausfall, Müdigkeit, Brustschmerzen, Kurzatmigkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, Schlafstörungen, Geschmacksverlust sowie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme. Darüber hinaus wurden aber mittlerweile an die 200 Symptome erfasst, die nach der Infektion auftreten können. Viele dieser Beschwerden nehmen im Laufe der Zeit ab und nicht alle sind immer behandlungsbedürftig. Für eine effektive Behandlung sind auch bestimmte Symptom-Konstellationen von Bedeutung. Von Long-Covid bzw. Post-Covid sind sämtliche Altersgruppen betroffen, Frauen aber häufiger als Männer unabhängig von der Schwere der Corona-Infektion. Nicht selten erwischt es sogar Menschen, die sich unbemerkt infizierten und bei denen erst später Antikörper nachgewiesen wurden. Bei vielen nehmen die Beschwerden nach rund einem Jahr spürbar ab. Eine gewisse Häufung tritt bei Patienten auf, die mehrfach infiziert und/oder mehrfach geimpft sind ebenso wie bei denen, die in Kliniken behandelt werden mussten.

Häufiges Fatigue-Syndrom
Neben einem in der Masse eher uneinheitlichen Krankheitsbild, bildet sich eine relativ oft auftretende Ähnlichkeit mit dem Chronischen Fatigue-Syndrom heraus, in der Fachsprache ME/CFS genannt. Diese seit vielen Jahren in unterschiedlichen Facetten und Schweregraden bekannte Erkrankung bekommt dadurch nun mehr Aufmerksamkeit und mehr Forschungsgelder. Ähnlich wie bei Long-Covid kommt es auch hier bei körperlicher oder geistiger Belastung zu einer Verschlechterung der Beschwerden. Geschätzt 10 bis 20 Prozent aller Post-Covid-Patienten, die länger als 3 Monate nach der Infektion noch nicht völlig genesen sind, leiden an einer Form des ME/CFS. Nur ein sehr vorsichtiges Steigern der Anforderungen ist hier möglich, da bei einer Belastungsintoleranz sonst eine weitere Verschlechterung der Symptome eintritt.

Individuelle BehandlungsformenDeshalb gibt es momentan nicht die eine Therapie, die allen hilft, sondern nur eine sehr individuell angepasste Behandlung aller Symptome durch Atemtherapie, Physiotherapie, Ergotherapie und mitunter auch Logopädie. In manchen Fällen hilft auch eine Art Blutwäsche, die HELP-Apherese, um versteckte Virusteile aus dem Körper zu entfernen. Einen neuen Patienten-Leitfaden zum Long/Post-Covid-Syndrom gibt es seit Februar 2023 von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin:  https://register.awmf.org/assets/guidelines/020-027p_S1_Post_COVID_Long_COVID_2023-02.pdf